Rede Robert Pfaller, Univ.-Prof. für Kulturwissenschaft, Kunstuniversität Linz

Informiert und inspiriert durch den ORF

 

Ich gehöre einer Generation an, für die der ORF in ihrer Jugend eine entscheidende Bildungsfunktion erfüllt hat. Als 15-Jähriger habe ich die Diskussionen im „Club 2“verfolgt und dort gelernt, was ein Argument ist. Spät abends kamen im österreichischen Fernsehen manchmal Filme von Jean-Luc Godard, Michelangelo Antonioni oder Ken Russell und gaben mir die Idee einer intellektuellen Welt, die einem sonst damals meist erst an der Universität zugänglich wurde. Heute, da selbst die Universitäten dies kaum noch leisten, erhalte ich durch die hervorragenden Wissenschaftssendungen, vor allem auf Ö1 sowie zum Beispiel durch „Im Sumpf“auf FM4, entsprechende Informationen und Inspirationen.

 

Diese Grundversorgung der österreichischen Bevölkerung mit niederschwelligen Zugängen zu Bildung ist ein hohes Gut und darf nicht leichtfertig preisgegeben werden. Die Erhaltung des ORF-Funkhauses im Zentrum Wiens ist eine unerlässliche Voraussetzung für die Weiterführung der exzellenten Wissenschaftsprogramme des ORF (denn anders müssten die Interviewgäste der Wissenschaftssendungen immer die Reise in die weit entfernten ORF-Studios antreten, was den meisten, wie zum Beispiel mir, zeitlich nicht möglich wäre).

Ein informativer und finanziell vom Belieben der jeweiligen Regierung sowie auch von den bestehenden Medienmonopolen unabhängiger öffentlicher Rundfunkt ist eine notwendige Voraussetzung für eine intakte Öffentlichkeit und damit für eine funktionierende Demokratie.

 

Diese eigentlich selbstverständliche Minimalforderung an die österreichische Bundesregierung aber ist um mindestens eine weitere Forderung zu ergänzen. Man darf doch von einer österreichischen Bundesregierung wohl mehr erwarten, als dass jedes Mal, wenn eine neue Regierung ins Amt kommt, die Führungspositionen im ORF ausgewechselt werden. Das ist ein elender, unwürdiger Zustand. Die Aufgabe einer neuen Regierung wäre dagegen, endlich ein ORF-Gesetz zu verabschieden, das die Vergabe von Leitungsfunktionen im ORF so gut und unabhängig regelt, dass die Inhaber derselben nicht durch jede neue Regierung ausgetauscht werden können.

 

Falls diese Forderung angesichts der österreichischen Realverfassung aber zu unrealistisch erscheinen sollte, könnte man durch eine einfache, pragmatische Ersatzregelung eine äußerst produktive Verbesserung erreichen. Ein neues Gesetz müsste bestimmen, dass nicht die jeweils neue Regierung, sondern vielmehr immer die aus dem Amt scheidende die Führungspositionen im ORF bestimmt – für eine Funktionsperiode, die verbindlicherweise bis zum Aus-dem-Amt-Scheiden der nächsten Bundesregierung dauert. Dies würde sowohl vom kritischen Wert als auch vom Unterhaltungswert her die Qualität der ORF-Berichterstattung und -Kommentierung mit Sicherheit deutlich verbessern und für Ausgewogenheit sorgen: Denn jede ORF-Führung, die durch Einseitigkeit eine neue Regierung „herbeiberichtet“, würde eben dadurch ihr eigenes Ende bewirken.

 

Abschließend möchte ich noch einen Vorschlag zur Gebührenfinanzierung des ORF vorbringen. Da nicht gewiss ist, ob die österreichischen Bürgerinnen und Bürger in dieser Frage ähnlich weitblickend entscheiden würden wie ihre Schweizer Nachbarn und da zu befürchten ist, dass der Groll auf die Gebührenpflicht eines Tages das Bewusstsein von der Notwendigkeit eines unabhängigen öffentlichen Rundfunks überwiegen könnte, hätte ich eine Idee, wie man die Gebührenzahler entlasten könnte.

 

Österreich begreift sich ja – meines Wissens nach auch im Verständnis der aktuellen Bundesregierung – als Kulturnation. Eine Kulturnation aber muss es als eine Kulturschande empfinden, wenn Spielfilme und Serien im Fernsehen durch Werbung unterbrochen werden. Dies gehört durch ein Gesetz verboten. Alle Sender, die gegen dieses Verbot verstoßen, müssten nach dem neuen Gesetz eine Strafgebühr entrichten. Mit diesen Einnahmen kann man dann – zweckgebunden – die Kultursendungen sowie die unabhängige Berichterstattung im ORF finanzieren.

 

Wien, Karlsplatz

6. Juni 2018