Rede Fritz Hausjell, Medienhistoriker

 Was wir dringend viel mehr brauchen

 

Wir diskutieren morgen und übermorgen in einer schon mehrfach angesprochenen Regierungsenquete in einer Runde, wo viele fehlen, die nicht eingeladen worden sind, die Wichtiges zu sagen hätten. Mir fehlen dort ganz viele wissenschaftliche Köpfe. Gerade einmal eine Keynote von einem deutschen Kollegen, und auf einem Panel sitzt eine österreichische Kollegin.

 

Zum Glück habe ich heute unser Sonderheft „Medien und Zeit“ aus der Druckerei bekommen, das ich guten Gewissens bewerben kann, weil ich es dem Standard gratis zum Download zur Verfügung gestellt habe, in dem sich 16 deutschsprachige Kommunikationswissenschafterinnen zu den vier brennenden Fragen im Zusammenhang mit dem ORF Gedanken gemacht haben: Zur Frage des Programmauftrags, zur Frage, wie und was soll der ORF künftig im digitalen Bereich tun dürfen, zur Frage der Finanzierung und zur Frage der politischen Unabhängigkeit, also der Gremienstruktur oder der Unabhängigkeit oder der Abhängigkeit von der Politik.

 

Zu drei Punkten möchte ich ergänzend etwas sagen. Das eine ist: Diese Regierung will in Richtung Budgetfinanzierung. Dazu ist gesagt worden, was das bedeutet. Nämlich massiven politischen Einfluss auf den öffentlichen Rundfunk. Selbst wenn wir eine hochweise, demokratisch gesinnte Regierung hätten, die uns hoch und heilig versprechen würde, sie tun das nicht, ist die Budgetfinanzierung ein Unfug, weil sie konkjunkturabhängig ist. Geht es einem Land relativ schlecht, wird im Regierungsbudget natürlich überall gekürzt, so auch im Medienbereich. Gerade wenn es kriselt, brauchen wir zuverlässige Medien und eine ordentliche Information. Denn die Privaten lassen dann besonders aus, weil die Werbeerträge zurückgehen. Wir haben das 2007 und in der Folge 2008 gesehen: Die Redaktionen sind alle herruntergekürzt worden, und es gibt am Ende Journalismus und Information light. Daher: Kein Ja für eine Budgetfinanzierung.

 

Zweiter Punkt. Der Chef des größten privaten Privatfernsehkonzerns in Österreich hat jetzt zusammen mit der von mir sehr geschätzten Corinna Milborn am Montag ein Buch präsentiert, wo die Idee, die schon seit mehreren Wochen, eigentlich Monaten, auch aus der ÖVP kommend, als neues Modell ventiliert wird: Wie können wir dem großen Einfluss, und auch dem Abfluss der Werbegelder nach den USA im digitalen Bereich gegensteuern? Und dieses Modell heißt Schulterschluss zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk. Ich halte das für völlig fatal und unsinnig. Erstens weil wir auf österreichischer Ebene nie das Geld zusammenbringen werden, um da etwas Nennenswertes an Innovationen herauszubringen. Und zweitens sind wir in Österreich mit einer ungeheuren Presse-und Medienkonzentration konfrontiert. Wenn jetzt dann auch noch der private Rundfunk mit dem öffentlich-rechtlichen sozusagen in eine Zwangsehe geschickt wird, dann werden wir am Ende einen wesentlich schlechteren Journalismus haben, und die Lösung des Problems wird nicht passieren.  

 

Daher mein Alternativvorschlag: Lasst die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten europaweit zusammenarbeiten. Das ist derzeit so gut wie nicht möglich. Und lasst die Privaten europaweit zusammenarbeiten. Das ist derzeit schon möglich, wird aber nicht gemacht, weil man offensichtlich die Schäfchen durch eine nationalstaatliche Blockierung des Öffentlich-Rechtlichen locker ins Trockene bringt und mit so unsinnigen Dingen wie Werbefenstersender den Großteil der Werbegelder aus Kleinstaaten abzieht. 

Dritter Punkt: Weg mit den Fesseln beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk hin zu einem Auftrag zur Innovation und auch einem Auftrag für ein Programm, das der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Wesentlichen selbst zu entwickeln hat, damit es den gesellschaftlichen Herausforderungen zeitgemäß Rechnung trägt. Sonst schreiben wir alle zwei Jahre ein neues ORF-Gesetz und haben alle zwei Jahre wieder das Problem, dass die Politik versucht, sich einzumischen. So kommen wir nicht zu einem Rundfunk, der der Gesellschaft gehört. Und diese europäische Perspektive würde zudem noch etwas bringen, von dem wir dringend viel mehr brauchen: Wir brauchen eine europäische Öffentlichkeit und dazu die entsprechenden Medienstrukturen.

 

Wien, Karlsplatz 

6. Juni 2018