Filmschaffende und der ORF

 

Am 8.4. und 9.4.2019 fand im Gartenbaukino in Wien ein zweitägiges Symposium der Freien Szene über „Soziale Gerechtigkeit“ und „Faire Bezahlung“ von Kunst- und Kulturschaffenden statt, das mit Bestandsaufnahmen und Ausblicken auf Änderungsnotwendigkeiten eröffnet wurde. Fabian Eder, der Vorsitzende des Dachverbands der Österreichischen Filmschaffenden, zog in seinem Redebeitrag eine kritische Bilanz der Beziehungen der Filmschaffenden zum ORF, dem er einen Forderungskatalog für den zukünftigen Umgang miteinander anschloss.

 

Fabian Eder

Filmschaffende und der ORF

Rede beim Symposium Freie Szene – Freie Kunst

8.4.2019, Gartenbaukino Wien

 

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf Umstände lenken, die wohl augenscheinlich in erster Linie mit den Filmschaffenden zu tun haben, sich aber, wie ich meine, bei genauerer Betrachtung auf die Arbeitsbedingungen aller Kunst- und Kulturschaffenden massiv auswirken.

 

Ein kleines Land, dessen Gesellschaft, Medien und Kunst so aufgesetzt sind wie bei uns, wird immer – und egal unter welcher Regierung – unter hegemonialen Strukturen leiden. In unserem Fall steht im Zentrum dieses Systems der Österreichische Rundfunk ORF – Leitmedium und nationaler De-facto-Monopolist.

 

Auf der anderen Seite leben wir in einer vernetzten Welt, die große Chancen birgt und reale Bedrohungen: wenn beispielsweise international agierende Großkonzerne im Stil von Raubrittern unsere Werke stehlen und zu Geld machen.  

Ich wurde eingeladen, um über den Status quo der Filmschaffenden zu sprechen. Was ich zu sagen habe, wird nicht jeder gerne hören. Reden wir also über Geld, Freiheit und Unabhängigkeit.

 

Ich habe letztes Jahr bei der Medienenquete mit großer Aufmerksamkeit dem Impulsreferat von Gerhard Zeiler gelauscht. Er argumentierte darin sehr gut und schlüssig, warum wir einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk brauchen, und diesbezüglich unterschreibt jeder hier, nicht nur ich, jedes Wort.

 

Im zweiten Teil sagte er aber, dass dieser nur gebührenfinanziert existieren könne und deshalb Programm für alle machen müsse, also die Gelüste des Publikums in seiner ganzen Breite abdecken müsse. Aber genau das ist doch die Rechtfertigung dafür, dass sich ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk wie ein Boulevard-Medium benehmen darf! Und ist nicht genau dieses Boulevard-Verhalten des noch dazu einzigen öffentlich-rechtlichen Senders der Krebs, der die Kunst zernagt und uns die Lebensgrundlage entzieht?

 

Nun ist eine Fernsehfilm- und Serienredaktion oder Kulturredaktion nicht mit einer Informationsredaktion zu vergleichen, die Aufgaben der Redakteure sind in diesen beiden Bereichen grundlegend andere, genau genommen sind das zwei Berufe, die nichts miteinander zu tun haben. Das müssen wir benennen, bevor wir weiter über Gebühren diskutieren, aber vor allem müssen wir klarstellen, dass in unseren Bereichen der Filmemacher den Film macht, und nicht der Redakteur. Und dass auch der Filmemacher die Verantwortung dafür übernehmen muss, und niemand anderer. Da geht’s nicht um Information, sondern um Pluralismus, Meinungsfreiheit, Vielfalt und Diskurs. Dass Redaktionen hingegen unsere Existenzängste dazu missbrauchen, um zu kleinen Königreichen heranzuwachsen, die bisweilen an Gönnerhaftigkeit kaum zu überbieten sind, produziert hingegen weder Vielfalt noch Unabhängigkeit.

 

Der ORF bezieht seine Mittel von der öffentlichen Hand und aus Werbeeinnahmen. Aber der ORF muss deshalb noch lange kein überbordendes Online-Angebot haben, das er sich aus den Mitteln der öffentlichen Hand heraus nicht leisten kann. Und er muss kein Gewinnspiel senden, in dem ein Kandidat in einem Windkanal Geldscheine fängt! Das ist nicht öffentlich-rechtlich. Andere Länder, sehr gut funktionierende Demokratien, haben öffentlich-rechtliche Sender, die viel weniger oder gar keine Werbung haben, oder andere Finanzierungssysteme und dennoch gutes Programm herstellen! Muss der ORF ein Multiple-Choice-Ratespiel in Lizenz produzieren, für das Moderator und Publikum nach Köln geflogen werden? Multiple-Choice-Ratespiele gibt es im Fernsehen seit den frühen 60er-Jahren! Damit unterstellt uns das verantwortliche Programmmanagement, dass wir österreichische Kreative nicht in der Lage sein sollen, ein Multiple-Choice-Ratespiel selbst zu erfinden?! Deshalb muss das von einem niederländischen Unterhaltungskonzern zugekauft werden? Mit Gebührenmitteln?! Während Öffentlich-Rechtliche in Deutschland diese Shows sehr wohl selbst erfinden und selbst produzieren, in ihren Studios, mit ihren Technikern und ihren Kreativen!

 

Oder der unsägliche Zukauf einer sogenannten »Daily Soap«-Lizenz, erstaunlicherweise auch aus Holland, wo dann österreichische Schauspieler holländische G’schichten nachspielen und so tun, als wären sie Mitten im Achten, und das uns als zutiefst österreichisches, ja »wienerisches« Programm verkauft wurde, das vorhersehbar natürlich total gefloppt ist, und vor 10 Jahren die halbe Branche in den Ruin gerissen hat? Deswegen starben Produzenten, die mit der Sache gar nichts tun hatten, weil ihnen fertig vorbereitete und beauftragte Filme weggenommen wurden, um andere Produzenten zu retten, die dieses absehbare Fiasko bereitwillig unterstützt hatten, anstatt es zu verhindern! Da gingen Kreative, Techniker und  Schauspieler vor die Hunde. Warum ich Ihnen diese 10 Jahre alte Geschichte erzähle? Weil die verantwortlichen Manager, sofern sie nicht in Pension gegangen sind, bis heute im Amt sind. Bis heute.

 

Müssen wir zusehen, wie die ZIB-Sendungen die Pressrelease-Trailer amerikanischer Blockbuster-Filme in bis zu 2 Minuten langen Beiträgen als »Kulturnachrichten« abspielen, während europäische Filme nicht mal in Nebensätzen erwähnt werden? Das sind fremdproduzierte Werbefilme, meine Damen und Herren, die da in den Nachrichten abgespielt werden! Zur besten Sendezeit!

 

Als mit Michael Glawogger einer der erfolgreichsten und höchstdekorierten österreichischen Filmemacher vor ziemlich genau 5 Jahren überraschend verstarb, zeigte der ORF eine Retrospektive seiner Filme unter Ausschluss der Öffentlichkeit irgendwann zwischen Mitternacht und Sonnenaufgang. Ich überlasse es Ihnen, wie Sie das benennen wollen: Es ist jedenfalls der Status quo.

 

ORF III, gerne als das Aushängeschild öffentlich-rechtlichen Programmes präsentiert, schafft hinter dieser Glamour-Fassade seit Jahren Produktionsbedingungen, die für ein Unternehmen, das sich aus der öffentlichen Hand finanziert, eine Schande sind und Filmschaffende in die Selbstausbeutung oder den Ruin treiben.

 

Die Filmförderstrukturen auf Bundes- und Landesebene sind jetzt schon fast ausschließlich Quersubventionen – aus Steuermitteln – für diesen ORF. Und dort, meine Damen und Herren, liegen die Wurzeln für unsere sozialen Probleme, für horrende Arbeitszeiten, Ausbeutung, sittenwidrige Verträge, Erpressung und natürlich auch für einen Sozialversicherungszustand, der jeder Beschreibung spottet!

 

Ja, klar, wir müssen sicherstellen, dass der ORF nicht totgespart wird, damit die Kollegen Journalisten unabhängig arbeiten können. Ganz dringend! Aber genauso dringend müssen wir sicherstellen, dass die Mittel, die uns zustehen, die der Steuer- und Gebührenzahler für unsere Arbeit bereitstellt, auch wirklich unseren freien Produktionen zugutekommen. Zur Zeit können wir das nicht, weil wir keine Vertreter in den entscheidenden Gremien haben, um das auch kontrollieren zu können! Dabei schulden wir das unserem Publikum!

 

Wieso haben wir so ein lebensbedrohendes Sozialversicherungschaos? Warum haben wir Gewerkschaften, die für uns 60-Stunden-Wochen mit Überstunden-Abschlag aushandeln? 2019! 60-Stunden-Wochen! Während der ÖGB Massendemonstrationen gegen die 60-Stunden-Woche organisiert, macht unsere Gewerkschaft diese in den Kollektivvertragsverhandlungen hinter verschlossenen Türen möglich! Dabei ist die 41. bis zur 60. Stunde um gut 25% schlechter bezahlt als die Normalarbeitszeit! Das ist kein Scherz, meine Damen und Herren! 25% weniger Stundenlohn für jede Überstunde! Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen!

 

Die meisten Filmschaffenden sind sowohl selbstständig als auch unselbstständig tätig, das wissen wir aus unserer Studie. Viele von uns werden aber zu dieser Selbstständigkeit gezwungen, und zwar letztlich durch die Allmacht des ORF, und unsere Gewerkschaft weigert sich auch noch, diese Arbeitnehmer zu vertreten? Damit wir noch mehr gespalten werden, noch kleinteiliger, noch beherrschbarer und noch gefügiger – noch abhängiger! Da sind die Schauspieler in einer eigenen Sektion, die Arbeitnehmer in einer anderen, und nun sollen auch noch die Neuen Selbstständigen in eine wieder eigene Sektion. Eine Gewerkschaft, die aushandelt, dass die Arbeitgeber den Lohn erst am 15. des Folgemonats zahlen müssen? Und wer erklärt das unseren Vermietern, die erstaunlicherweise die Miete am 1. haben wollen?

 

Sehen Sie sich die Erfolge des österreichischen Films an – nicht nur der Oscar, Cannes oder Venedig, und sagen Sie mir, warum werden Frauen in unserer Branche noch immer nach Belieben diskriminiert? Warum sind wir höchstqualifiziert, erfolgreich und gleichzeitig eine der am stärksten armutsgefährdeten Gruppen in diesem reichen und sicheren Land – warum, wenn nicht deshalb, weil all diese »Manager« verhindern, dass der Einsatz von öffentlichen Mitteln an ethische Mindeststandards gebunden wird?!

 

Dabei brauchen wir eine Bindung aller Mittel des ORF – und zwar nicht an Mindest-, sondern an ethische Höchststandards – egal, ob sie aus Werbeeinnahmen, Gebühren, Steuern oder Förderungen kommen. Das muss in den Grundauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Und es muss kontrolliert werden. Das unterscheidet nämlich einen öffentlich-rechtlichen Sender von einem Privatunternehmen: Er setzt ethische Maßstäbe!

 

Heute gibt der ORF Verträge aus, die einem Produzenten oft keine andere Wahl lassen, als seine Mitarbeiter unethisch auszubeuten! Die die »Kontrolle« über jeden künstlerischen Vorgang per Vertrag abgeben MÜSSEN, weil sie zusperren können, wenn sie da nicht mitspielen! Ja, wo sind wir denn, dass Redaktionssekretärinnen über Kostüme urteilen, die von ausgebildeten, hochqualifizierten und erfahrenen Kostümbildnerinnen entworfen wurden? Dass per Vertrag Regisseure, Komponisten, Autoren, Filmarchitekten willkürlich, geschmäcklerisch ausgetauscht werden können? Dass der öffentlich-rechtliche Sender sich das Recht einräumt, ohne zu fragen, die Musik bei einem Film auszutauschen? Oder ein renommierter Komponist nicht mehr engagiert werden darf, weil er sich weigert, seine Werke urplötzlich im ORF-hauseigenen Musikverlag zu verlegen? Nicht, dass der ORF-Verlag eine Leistung dafür anbieten oder es dem Komponisten freistellen würde – da geht es ausschließlich ums Einstreifen der Verlagstantiemen – und dafür wird im Bedarfsfall auf der Ebene des Einzelnen erpresst: Friss, Vogel, oder stirb. Das kann’s nicht sein!

 

Wenn Sie in Spanien, Polen, Rumänien oder sonst wo in der EU in ein Hotel gehen, empfangen Sie selbstverständlich alle großen deutschsprachigen Kanäle, ARD, ZDF, RTL – nur keinen ORF. ORF DIGITAL-SAT-Karten dürfen nämlich nur am gemeldeten Standort in Österreich genutzt werden. Wenn Sie sich – selbst als österreichischer Gebührenzahler – in Italien die Eigenproduktion einer Talkshow anschauen wollen, können Sie das nicht, und auch bei Nachrichten bleibt schon mal der Schirm schwarz, weil manche Beiträge geogeblockt sind. Mit solchen Tricks spart der ORF seit der Digitalisierung das Geld bei Lizenzen, das es ihm ermöglicht, ein Medienangebot aufzusetzen, das im Inland weder links noch rechts von ihm Platz für auch nur ein Blatt Papier lässt, und damit nicht nur die Film-, sondern alle Kunst- und Medienschaffenden zu seinen Leibeigenen macht.

 

In der Zeitgeschichte-Redaktion des ORF ist es gang und gäbe, dass – die festangestellten – Redakteure die Dokus selbst gestalten, während hochqualifizierte Regisseure vor der Küniglberg-Schranke mit einem Pensionsbescheid von 500 Euro oder weniger dastehen. Redakteure mit 14 Monatsgehältern und obendrauf einer fetten Betriebspension. Bei einem öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland ist das undenkbar, dass ein Redakteur selbst als Gestalter eines Dokumentarfilms auftritt. Undenkbar! Denn dabei, liebe Freunde, geht es substanziell um Demokratie und essenziell um Unabhängigkeit!

 

Das ist er also, unser Status quo, dass wir uns in einer Situation wiederfinden, in der wir diesen ORF, der ursächlich für die Missstände in unserer Branche verantwortlich ist, verteidigen müssen, um ihn vor dem Übergriff der Rechtspopulisten zu schützen.

 

Dabei ist die österreichische Branche mitsamt seinem Medienmonopolisten aus sich selbst heraus nicht in der Lage, eine auch nur minimale Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Die besten Filmstudios mussten in Wien schon längst dem Wohnbau geopfert werden, weil die nationale Branche allein sie nicht erhalten kann. Deshalb muss eine Netflix-Serie über Sigmund Freud, vom ORF koproduziert, durch österreichische Fördermittel unterstützt, größtenteils in Prag gedreht werden – weil wir gar nicht mehr die Voraussetzungen haben, damit eine solche Produktion bei uns realisiert werden kann.  

Filmrequisiten gibt es in unserer Branche nur, weil ein gemeinnütziger Verein aus Filmarchitekten und Requisiteuren – gemeinnützig! – ein Lager aufrecht erhält und in der Stadt jahrelang um einen geeigneten Standort betteln musste, ehe sie nun einen gefunden haben: in Niederösterreich!

 

Was läuft denn da falsch, strukturell, in einer Branche, die jährlich allen Widrigkeiten zum Trotz über 1 Milliarde Euro umsetzt. Status quo: eintausend Millionen Euro Umsatz – und kein Requisitenlager! Eintausend Millionen Euro Umsatz, aber kein Studio, in dem wir professionelle Tonfilmaufnahmen für eine Sigmund Freud-Produktion machen können. 

Und nun haben die österreichischen Abgeordneten der Oppositionsparteien auch noch geschlossen gegen die EU-Urheberrechtsrichtlinie gestimmt, und damit gegen eine faire Bezahlung von Künstlern und für die Ausbeutung der UrheberInnen durch internationale Großkonzerne.

 

Auch wenn die Richtlinie bei weitem nicht perfekt ist, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist sie für die UrheberInnen ein wichtiger Schritt, für deren Beschluss wir dem Europäischen Parlament danken – und der übrigens mit sehr deutlicher und parteiübergreifender Mehrheit gefasst wurde – nach einem intensiven, demokratischen Prozess, in dem alle Parteien gehört wurden.

 

Natürlich sind wir trotzdem nach wie vor – und wie immer – zu jedem Gespräch bereit, wir klären gerne auf, und wir nehmen die Sorgen anderer sehr ernst. Wenn nun aber bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht eine ähnlich irrationale Debatte aufgesetzt und befeuert werden sollte, wie bei der Speichermedienvergütung, in der wir KünstlerInnen uns aufs Übelste beschimpfen und beleidigen lassen mussten, dann werden wir uns das diesmal so sicher nicht gefallen lassen. 

Ich könnte jetzt noch stundenlang weitermachen, zB über die wirklich kritische Lage der Sounddesigner, über Kameraleute, die vom AMS als Verkäufer in Handy-Shops geschickt werden, weil ein Handy ja auch eine Kamera hat, Schauspieler, deren Gagen in den letzten 10 Jahren um über 30% gefallen sind, über die nicht existierenden Familien in unserer Branche aufgrund von Arbeitszeiten, wie sie im 19. Jhdt. geherrscht haben, die Kinderlosigkeit oder die oft haarsträubenden Arbeitssituationen bei Filmfestivals.

 

Sie fragten mich nach dem Status quo. Das ist er: Der Unmut unter den Filmschaffenden ist sehr, sehr groß, und er hat sich zu einer Mischung aus Wut, Frust und Resignation angestaut. Was man konkret dagegen machen kann? 

Zum Beispiel ein neues ORF Gesetz, in dem faire und sozial verträgliche Arbeitsbedingungen und deren Überwachung explizit festgeschrieben werden. Ein ORF Gesetz, das die Filmschaffenden zumindest mit der gleichen Macht in den ORF Gremien ausstattet wie den Betriebsrat – der Betriebsrat hat im Stiftungsrat 5 Stimmen, wir haben keine einzige! Das kann man ganz konkret dagegen tun.

 

Oder endlich ein öffentlich-rechtliches, österreichisches Vollprogramm unverschlüsselt auf den Satelliten bringen, eine Visitenkarte unseres Landes in der Welt, statt einer nationalistischen Decoderkarte, die uns einsperrt. Eigenproduktionen, die zumindest europaweit für jedermann zugänglich sind. Wir leben in Europa, verdammt noch mal, in der Europäischen Gemeinschaft, öffentlich-rechtlich produziertes Programm, von der österreichischen Öffentlichkeit bezahlt, muss der europäischen Öffentlichkeit zugänglich sein – alles andere ist neben wirtschaftlicher Fahrlässigkeit vor allem biederster Nationalismus! Chauvinismus der Gartenzwerge! Und, ganz nebenbei, das eigentliche Fundament für die Orbanisierung unseres Landes.

 

Nachrichtensendungen, die ihre Beiträge, auch die internationalen, selbst produzieren, auch die Kulturnachrichten, mehr Korrespondenten beschäftigen, oder die entsprechenden Rechte an zugekauften Beiträgen erwerben, um diese zumindest auf einem Kanal überall und jederzeit senden zu können – weil dann ist es billiger, sie selbst zu produzieren. Das ist Unabhängigkeit. Das müssen und das können wir uns leisten!

 

Statt des rein parteipolitisch besetzten und vollkommen zahnlosen »Publikumsrates« eine wirklich unabhängige und tatsächlich außenstehende Kontrollinstanz für den ORF, die es Winkeladvokaten unmöglich macht, »Schlupflöcher« auf Kosten Abhängiger bis zum Gehtnichtmehr auszureizen. Eine Kontrollinstanz auf juristischer und ethischer Ebene. Ähnlich wie in der Medizin oder der Forschung!

 

Eine Beschränkung von Amtszeiten auf der gesamten Geschäftsführungsebene und bei allen Hauptabteilungsleitern im ORF auf maximal 2 Perioden! Nur wenn klar ist, dass es nicht mehr um die Verlängerung des eigenen Vertrages gehen kann, werden Manager vielleicht irgendwann wieder den Mut haben, auch strukturell etwas zu verbessern! 

Amtszeitbeschränkungen natürlich auch in den Förderinstitutionen und ihren Beiräten.

 

Das kann und muss man ganz konkret und vor allem ganz schnell umsetzen, genauso wie eine branchenspezifische Sozialversicherungslösung, die unsere Arbeitswelt abbildet und uns endlich, nach Jahrzehnten, die Möglichkeit einräumt, auch mit fragmentierten Beschäftigungen als wechselnd unselbstständig und selbstständig Erwerbstätige zu einer angemessenen Absicherung zu kommen.

 

Ein Steuer-Anreizmodell, das internationale Produktionen zurück nach Österreich holt, die heute allesamt im benachbarten Ausland produziert werden, um die Infrastruktur wieder aufzubauen und Arbeitsplätze zu schaffen. Es gibt dieses Modell. Wir Filmschaffende Arbeitnehmer haben das von uns aus initiiert und gemeinsam mit Produzenten, Wirtschaftskammer, den diversen Film-Kommissionen und Förderinstitutionen entwickelt – das ist eine Plattform von 24 österreichischen Organisationen. Ein Modell – von drei renommierten, unabhängigen Instituten entworfen – das in unser Steuersystem passt, mit unseren Förderstrukturen harmoniert, und dessen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt berechnet sind. Das ist fix und fertig, und man kann das ganz konkret umsetzen. Allein in Ungarn – in Ungarn! – wurde 2017 ausschließlich mit ausländischem Kapital für rund 500 Millionen Euro produziert, nicht fürs staatliche Fernsehen, sondern für den internationalen Kino- und Content-Markt, auf ungarischen Locations, in den traditionsreichen Mafilm Studios, die damit erhalten werden. Und jedes unserer Nachbarländer weist ein solches System auf. Wissen Sie, wieviele Arbeitsplätze das sind? 

Eine Gewerkschaft, die sich öffnet, die die Arbeitsrealität endlich anerkennt und sich wieder hinter uns stellt, eine Gewerkschaft, die aufhört über die Köpfe der ArbeitnehmerInnen drüber zu verhandeln, sie zu ignorieren und ihnen zu schaden.  

 

Und last, but not least, ein konkretes und unmissverständliches Bekenntnis zu einer zügigen Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie in nationales Recht. Es ist nicht der Schutz unserer Werke, der die Meinungsfreiheit bedroht.

Denn der Status quo ist, dass unsere Freiheit ausschließlich von den Filtern und Algorithmen bedroht wird, die Google und Facebook schon seit Jahren verwenden und damit Wahlen auf der ganzen Welt und, wer weiß, vielleicht auch bei uns, manipulieren.

 

Wir Filmschaffenden waren, sind und werden immer auf der Seite der Kleinen, der Minderheiten und Bedrohten stehen, wir werden unser Brennglas immer dorthin richten, wo es weh tut. Wir haben und werden immer an vorderster Front vor allem gegen strukturelle und staatliche, aber auch private Message-Control, gegen Zensur und für Vielfalt, für Meinungsfreiheit kämpfen, für KünstlerInnen, Medien, Journalisten und für die Zivilgesellschaft! Das zum Spielball parteipolitischer Taktiken zu machen, wäre jedenfalls verantwortungslos.

 

Faire Arbeitsbedingungen und ein Umfeld, das substanziell Unabhängigkeit ermöglicht, sowie eine entsprechende Remuneration unserer Werke sind hingegen die Voraussetzungen dafür.

 

 

Fabian Eder ist Filmemacher und Vorstandsvorsitzender des Dachverbands der Österreichischen Filmschaffenden, der die Interessen der Mitglieder von 13 Berufsvertretungen der unselbstständigen und selbstständigen Filmschaffenden ArbeitnehmerInnen, UrheberInnen und leistungsschutzberechtigten KünstlerInnen und Künstler vertritt.